Unabhängig von der Wissens-Grauzone in der sich viele Sportler bei der Thematik Dehnen bewegen, kann man beobachten, dass diese Form des sich Warmmachens, nicht unbedingt zu den Lieblingsübungen von Sporttreibenden gehört. Da wird losgelegt, als ob es kein Morgen gibt und Verletzungen billigend in Kauf genommen. Aber können uns Dehnübungen überhaupt vor Verletzungen schützen?

Nun gab es nicht zuletzt auch unter den Experten unterschiedliche Meinungen über die Art und Weise, wie und wann man sich dehnen sollte. Schauen wir uns doch einmal den aktuellen Wissensstand zu diesem Thema an und lassen unseren Experten Dr. Stefan Graf zu Wort kommen: „Das Thema Dehnen ist eine Geschichte der Paradigmenwechsel“, so Dr. Graf. „Ob Ausdauer, Schnell- bzw. Maximalkraft oder Beweglichkeit gefragt sind, hat Einfluss auf Sinnhaftigkeit und Art.“ Festhalten lässt sich also zunächst einmal: Die einzelnen Sportarten haben unterschiedliche Anforderungen, auch was das Aufwärmen, oder wie in unserem Fall das Dehnen betrifft.

Im Trend: Funktionelles Training

„Der sportmedizinische Trend geht weg vom klassischen Dehnen hin zum ,funktionellen Warm up bzw. Cool down‘, das gleichermaßen statische, dynamische, stabilisierende und koordinative Fertigkeiten verbessert“, erklärt Dr. Stefan Graf. Das Wohlbefinden sei entscheidend, so Graf. Wer mit „Genuss“, sauberer Technik und dem Glauben an positive Effekte dehnt – am besten nach dem Training – wird davon auch profitieren.

Eine interessante Information am Rande: Eine 2017 durchgeführte Studie der Uni Jena mit 139 Profi- und Nachwuchsfußballern ergab, dass Dehnen keinen verletzungsvermeidenden Wert hat. Zudem verringert Dehnen signifikant die Sprung- und Sprintleistung. Doch wann soll und darf ich mich denn überhaupt dehnen? Dazu geben wir Ihnen nun die ultimative Antwort und Anleitung für die entscheidenden Momente vor und nach dem Training.

Dehnen vor dem Training/Wettkampf

Niemals kalte Muskeln dehnen – erhöhte Verletzungsgefahr! Immer zuerst mobil aufwärmen (lockeres Einlaufen, Arm- u- Beinschwingen etc.).

Insbesondere intensives statisches Dehnen – das klassische Stretching – setzt die Spannung der Muskeln herab. Dadurch sinken Kontraktionsgeschwindigkeit und -kraft. Durch das Dehnen wird man bis zu 30 Minuten lang langsamer und schwächer.

Dehnen erhöht zudem das Gelenkspiel, was z. B. im Sprunggelenk das Risiko umzuknicken steigern kann.

Vor Sportarten, in denen Schnelligkeit und Kraft gefragt sind wie Sprinten, Ballsportarten und Krafttraining, sollte auf intensives Dehnen verzichtet werden. Die bessere Alternative: Ein sogenanntes sensomotorisches Aufwärmtraining, bei dem nach lockerem mobilen Aufwärmen (“Einlaufen“) durch bewusste Beweglichkeits-, Balance-, Koordinations- und Stabilisierungs-Elemente alle Körperteile gezielt auf die nachfolgende Belastung vorbereitet werden.

Wissenswertes für das Dehnen nach dem Training

Dehnübungen nach dem Training haben besonders im Gesundheitssport wegen der subjektiv empfundenen Steigerung des Wohlbefindens seine Daseinsberechtigung.

Eine Regenerationswirkung im Sinne einer nachhaltigen Herabsetzung der muskulären Ruhespannung lässt sich wissenschaftlich nicht nachweisen.

Das lange gescholtene dynamische, also leicht federnde Dehnen wird heute recht positiv bewertet, da es dem Verkleben der Bindegewebshüllen – Faszien – entgegenwirkt.

Gerade Menschen, die viel Sitzen, können durch regelmäßiges Dehnen zum Beweglichkeitserhalt beitragen. Wichtig: Immer erst mobilisieren!

Diese Fehler sollten Sie beim Dehnen auf jeden Fall vermeiden:

  • Unsaubere Technik kann Schäden verursachen. Typischer Fehler: Beim Ziehen der Ferse zum Gesäß werden die Knie nicht parallel zusammengehalten. Dadurch entstehen im Knie unnatürliche Zugspannungen auf Bänder, Meniskus und Gelenkkapsel.
  • Bei Verletzungen, ja bereits bei Muskelkater (Mikrorisse in den kleinen Muskelfasern), sollte auf das Dehnen verzichtet werden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf der Seite von Orthomol.